Mit einem Mikroskop ausgestattet, konnte man die Natur entdecken.

Mit einem Mikroskop ausgestattet, konnte man die Natur entdecken.

Das Mikroskop ist ein wissenschaftliches Instrument, welches überwiegend in der Forschung eingesetzt wird – so ist zumindest unser heutiges Bild davon. Im 19. Jahrhundert allerdings war das Betrachten kleinster Organismen ein sehr beliebtes Hobby, insbesondere im viktorianischen England. Mit Kescher und Behältnissen bewaffnet machte sich der Naturliebhaber auf die Suche nach interessanten Untersuchungsobjekten,  die erst unter Vergrößerung ihre komplexe Struktur offenbarten.  Die Freude am Entdecken der belebten Natur konnte mit Hilfe des Mikroskops perfekt mit der Technikaffinität der Zeit kombiniert werden. Schnell entdeckten die Händler diesen Markt für sich und boten fertig montierte Dauer-Präparate mit hoher Qualität und ausgefallenem, teils exotischen Probenmaterial an – ob  Stechmücke, Löwenbarthaar oder Gewebe von einer echten Mumie, alles konnte man käuflich für die eigene Sammlung erwerben.

Geöffnet zeigt das Kabinett, dass es verschiedenste Präparate beherbergt.

Geöffnet zeigt das Kabinett, dass es verschiedenste Präparate beherbergt.

Ein Schrank, gefüllt mit den Wundern der Natur
Die naturhistorische Sammlung, eigentlich ein Privileg des Adels, fand im 19. Jahrhundert  in Form von mikroskopischen Kabinetten Einzug in die Wohnräume der Menschen. Objekte aus allen Bereichen der Natur konnten so platzsparend aufbewahrt und jederzeit unter dem Mikroskop bewundert werden. Blut, Hirnzellen, tierische Embryos, Froschinnereien, Schmetterlingspuppen, ganze Fliegen, Käfer, Samen, Blätter, Mineralien – dies ist nur ein kleiner Teil der Objekte, die sich in unserem ausgestellten Kabinett befinden. Alles, was die Umwelt an Erfahrbaren zu bieten hatte, wurde zur menschlichen Wissenserweiterung und ebenfalls zur Befriedigung einer ausgeprägten Schaulust  zwischen zwei Glasplättchen fixiert. Doch nicht nur die Schönheit der Proben war entscheidend, auch das Mikroskop als hochkomplexes, technisches Gerät präsentierte der Besitzer mit größtem Stolz – unser Exemplar aus dem Jahre 1863 ist dabei ein besonders fein gearbeitetes Stück aus Messing, welches mit viel Zubehör geliefert wurde. Durch seine hohe Auflösungskraft war es auch für den Wissenschaftsbereich einsetzbar.

Komplexität und Schönheit – das mikroskopische Bild als Gottesbeweis?
Der Einzug der Mikroskopie in das bürgerliche Leben wurde begleitet von einer Flut an Literatur, die dabei nicht nur den richtigen Umgang mit diesem Instrument lehrte, sondern insbesondere auch den religiösen Aspekt dieser Tätigkeit herausarbeitete. Von Menschen geschaffene Materialien zeigten nämlich erst unter Vergrößerung ihre Unvollkommenheit – feinste Stoffe wurden zum Gewirr aus rauen Fasern, Nadelspitzen zu zerklüfteten Stümpfen, polierter Schmuck zu grob strukturierten Kraterlandschaften. Dagegen war selbst jedes Glied von Ungeziefer perfekt geformt und von hochkomplexer, regelmäßiger Struktur. Kein Wunder also, dass diese natürliche Perfektion als Beweis für den Schöpfungsakt eines allmächtigen Gottes herhalten musste, insbesondere in einer
Phase, in der Charles Darwin die Position des Menschen innerhalb der natürlichen
Ordnung von Grund auf erschütterte.

Das mit Präparaten gefüllte Kabinett sowie das dazugehörige Mikroskop ist auf Ebene B im TECHNOSEUM ausgestellt.

Katarzyna Julia Szeremeta