„Gautschen“, so nannten die spätmittelalterlichen Papiermacher eigentlich das Ablegen der frisch geschöpften Papierbögen zum Trocknen. Doch spätestens im 16. Jahrhundert etablierte sich unter den Buchdruckern der Brauch, auch ihre Lehrlinge nach bestandener Ausbildung zu gautschen, also in einer wassergefüllten Bütte zu taufen und somit in den Gesellenstand der „Jünger Gutenbergs“ zu erheben.
550 Jahre nach Gutenberg
Ganz ähnlich wie damals verläuft auch heute ein Gautschfest. So ein Fest wurde im Juli anlässlich des Gutenbergjahres 2018 im Montagehof des TECHNOSEUM gefeiert – nur dass heute neben ausgelernten Druckern auch moderne Mediengestalter „gegautscht“ werden. Organisiert hatte die Veranstaltung der Fachausschuss für die Druckindustrie Rhein-Neckar gemeinsam mit dem Museum.
„Packt an!“
Nach der feierlichen Zeugnisübergabe wird es ernst: Zu jeweils fünft treten die „Kornuten“, also die ausgelernten Azubis, an und müssen zunächst die ehrwürdige Formel „Es sei künftig mein Bestreben, stets ein tugendhaftes Leben!“ geloben. Danach gibt der Gautschmeister seinen Gehilfen, den sogenannten Packern, den Befehl, die Gautschlinge mit ihrem „Corpus posteriorum“ (lateinisch hochtrabend für Hinterteil) auf einen triefend nassen Schwamm zu setzen. Es folgt ein Schwall Wasser auf den Kopf für die „durstige Seele“, und dann ist es soweit: Die Packer ergreifen die schon jetzt tropfnassen Gautschlinge und werfen sie schwungvoll in die Bütte, wo sie durch dreimaliges Untertauchen ihre Taufe erhalten.
Alles ganz freiwillig
Natürlich geht es dabei heute etwas gesitteter zu als damals: Gegautscht wird nur, wer damit einverstanden ist – aber bei 30° und strahlendem Sonnenschein sind sowieso fast alle anwesenden Absolventen froh über die Abkühlung. Besonders die Zuschauer haben sichtlich ihren Spaß an dem Spektakel und freuen sich über die gespielten Hilferufe der Gegautschten auf ihrem Weg ins kühle Nass. Aber auch die ehemaligen Lehrlinge haben natürlich etwas von dem ganzen Spektakel, denn wer schließlich klatschnass aus der Bütte steigt, der bekommt den langersehnten Gautschbrief.
Dr. Patrick Leiske
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