Die eiserne Lunge in der Ausstellung Herzblut stammt aus dem Jahr 1952.

Mit dem ersten Atemzug, den Babys machen, entfaltet sich die Lunge und der selbstständige Kreislauf des Neugeborenen beginnt. Das Atmen geschieht nahezu automatisch. Für Menschen, die Anfang des 19. Jahrhunderts an Kinderlähmung erkrankten und in Folge dessen nicht mehr selbstständig atmen konnten, war die eiserne Lunge ein lebensrettendes Instrument und Gefängnis zugleich.

Lebensgefährliche Infektion
Seit 1900 breitete sich die Kinderlähmung weltweit aus. Die Infektionskrankheit, die durch Polioviren hervorgerufen wurde, befiel Nervenzellen des Rückenmarks, die die Muskeln steuerten, und führte zu schwerwiegenden Lähmungserscheinungen, auch der Atemmuskulatur. Ein selbstständiges Atmen war so nicht mehr möglich. Allein die Polio-Epidemie im Jahr 1914 in den USA kostete mehr als 27.000 Menschen das Leben. Bis der US-Immunologe Jonas Salk 1954 endlich einen Impfstoff gegen die Kinderlähmung fand, mussten man auf andere Art und Weise gegen die Krankheit ankämpfen.

Eingeschlossen überleben
1928 bringt der Ingenieur Philip Drinker mit seinem Kollegen Louis Shaw die Lösung: Shaw hatte herausgefunden, dass eine narkotisierte Katze in einer luftdicht abgeschlossenen Box am Leben erhalten werden, indem man einen Wechsel von Über- und Unterdruck erzeugt. Beide Ingenieure übertragen das System auf den Menschen und erfinden die Beatmungsmaschine der eisernen Lunge. Sie baut einen Unterdruck auf, der das Zwerchfell ersetzt und den Brustkorb hebt, damit die Lunge Luft erhält. Der Patient liegt dabei in einem luftdicht abgeschlossenen Rohr, aus dem nur der Kopf herausragt. Nachdem die Erfinder erfolgreich ein achtjähriges an Polio erkranktes Mädchen in ihrer Beatmungsmaschine wiederbeleben, wird der sogenannte Tank-Respirator, so die offizielle Bezeichnung der eisernen Lunge – am 14. September 1929 der Öffentlichkeit vorgestellt. 1936 gibt es bereits weltweit 222 Geräte, die zur Verfügung stehen.

Lebensretter und Gefängnis zugleich
Viele der Patienten, die zur Behandlung in die eiserne Lunge mussten, konnten diese auch wieder verlassen, nachdem die Entzündungen abgeklungen waren und alle Muskeln wieder arbeiten konnten. Viele Patienten verbrachten aber auch mehrere Jahrzehnte im lebenserhaltenden Instrument, machten ihren Abschluss, schrieben ihre Doktorarbeit oder heirateten. Die Australierin June Middleton gilt weltweit als die Patientin, die am längsten in der eisernen Lunge liegen musste: 61 Jahre verbrachte sie über 21 Stunden am Tag in der Maschine. Sie starb 2009 im Alter von 83 Jahren.

Die eiserne Lunge, die in der Ausstellung „Herzblut“ im TECHNOSEUM zu sehen ist, stammt aus dem Jahr 1952 und wurde im Drägerwerk Lübeck hergestellt. Sie stellt das erste Modell mit Stromantrieb dar, das bei einem Stromausfall auch auf Handbetrieb umgeschaltet werden konnte.

Wo im TECHNOSEUM? In der aktuellen Sonderausstellung „Herzblut – Geschichte und Zukunft der Medizintechnik“ noch bis zum 7. Juni 2015 zu sehen.