Centre Historique minier (CHM) im französischen Lewarde

Der deutsch-französische Volontärsaustausch macht’s möglich: Seit gut einem Monat bin ich zu Gast im Centre Historique minier (CHM) in Lewarde bei Douai (Département Nord), Frankreichs größtem und meistbesuchtem Bergbaumuseum. Noch bis Ende Juni läuft das vom Deutsch-Französischen Jugendwerk und dem Haus der Geschichte in Bonn organisierte Austauschprogramm. Im Gastmuseum geht es um die fast drei Jahrhunderte umfassende Geschichte des Steinkohlebergbaus hier im äußersten Norden Frankreichs, wo bereits 1990 die letzte Zeche geschlossen wurde.

 

 

Das französische Bergbauvokabular ist für Ausländer zu Beginn gar nicht einfach.

 

Ein bekannter Dialekt
Vier der hierzulande „Gueules noires“ (wörtlich: „Schwarzmäuler“) genannten ehemaligen Kohlekumpel arbeiten noch auf der alten Zeche „Delloye“ in Lewarde – als Museumsführer erklären sie den Besuchern ihren früheren Berufsalltag und die Gefahren unter Tage. Besonders freut die Museumsgäste, dass sie bei dieser Gelegenheit auch das berühmt-berüchtigte „Ch’ti“ zu hören bekommen – den nuscheligen Dialekt des Nordens – der es dank des Films „Willkommen bei den Sch’tis“ von 2008 zu internationaler Bekanntheit brachte. Ausländer wie ich müssen da schon ganz genau hinhören, wie überhaupt man sich erst einmal das französische Bergbauvokabular aneignen muss. Wörter wie chevalement (=Förderturm), grisou (=Grubengas) oder marteau-piqueur (=Presslufthammer) gehören eben nicht unbedingt zum klassischen Schulstoff.

 

 

Direktorin und Kuratorin Amy Benadiba (links) ist zusammen mit Virginie Malolepszy, Leiterin der Bibliothek und des Archivs im Centre Historique minier, eine der Ansprechpartnerinnen für Marcel Böhles (Mitte)

 

Spannende Aufgaben
Geleitet wird das 1984 eröffnete Bergbaumuseum seit vergangenem Jahr von der erst 29-jährigen Direktorin und Kuratorin Amy Benadiba. Sie ist damit nicht nur administrative Chefin von rund 100 Bediensteten, sondern als einzige Kuratorin des Hauses auch für die Dauer- und Wechselausstellungen zuständig. Nach einer Sonderausstellung zu Emile Zola und dessen Bergbauepos „Germinal“ wird Anfang Juni eine weitere Ausstellung zum Thema Elektrizität folgen, an deren Vorbereitung ich noch mitwirken konnte. Als nächstes großes Projekt hat sich Amy Benadiba die Instandsetzung der Sammlung vorgenommen, die sich in teils sehr schlechtem Zustand befindet.

 

 

Spannend: Ein Besuch im Stollen.

 

Für den Besucheransturm gewappnet
Einen Schwerpunkt setzt das CHM bei der Vermittlungsarbeit und der Museumspädagogik. Tagtäglich kommen scharenweise Schulklassen und Gruppenreisende, um das Museum zu besuchen und anschließend via Förderkorb in den vermeintlich unterirdischen Stollen einzufahren. Dieser entpuppt sich zwar nach der Führung als ebenerdige Attrappe (die echten Stollen sind längst geflutet), doch das tut der Faszination keinen Abbruch.

Viele Schulklassen besuchen das Museum.

Über Besuchermangel kann sich das Haus nicht beschweren: Trotz der verkehrsungünstigen Lage abseits der Touristenpfade besuchten im letzten Jahr rund 150.000 Menschen das CHM – Tendenz steigend. Zum Besucheranstieg beigetragen haben makabrerweise auch die Terroranschläge der jüngsten Zeit: Seitdem nämlich müssen Frankreichs Museen infolge des Notfallplans „Vigipirate“ hohe Sicherheitsauflagen erfüllen (z. B. Taschen-kontrollen), um weiter Schulgruppen empfangen zu können. Im Gegensatz zu vielen Museen in der Umgebung ist das CHM dafür ausgerüstet und erlebt infolgedessen einen Besucherboom.

Zur Museumsnacht erstrahlte das komplette Museum.

Längst hat die Region Nord-Pas-de-Calais ihr vormals tristes Image abgelegt und bietet auch für die Freizeit viele Möglichkeiten. Gerade für Fans der Technik- und Sozialgeschichte bildet das ehemalige Kohlebecken eine wahre Fundgrube und ist seit 2012 auch Weltkulturerbe der UNESCO. Mehr als ein Grund also, sich auf den Weg nach Lewarde zu machen!

Marcel Böhles, Volontär im TECHNOSEUM