Einsame Bauern auf riesigen Mähdreschern sind wir gewohnt. Aber ein solch schwarzer Koloss wie die Lanz-Lokomobile von 1882 – rund vier Meter lang, viereinhalb Tonnen schwer und zehn PS (7,35 kW) stark – am Feldrand? Als die Lokomobile von der Firma Heinrich Lanz gebaut wurde, war die Bewirtschaftung der Felder meist noch mühsame Muskelarbeit. Das Mannheimer Unternehmen mischte kräftig dabei mit, die Dampfkraft hierzulande in der Landwirtschaft nutzbar zu machen – allem voran als Antrieb für seine Dreschmaschinen. Die „Dreschdampfer“ hatten bis etwa 1930 ihre große Zeit.
Hochdruck auf den Feldern
Eine Lokomobile ist eine bewegliche Dampfmaschine auf vier Eisenrädern, die von Pferden und Ochsen an den Einsatzort gezogen wurde. Anders als bei Lanz‘ ersten Modellen von 1879 steht hier der Kessel nicht senkrecht, sondern liegt quer – es hatte sich schnell als vorteilhaft erwiesen, die Dampfmaschine direkt auf dem Kessel und die Zylinder im Dampfraum anzuordnen. Die Heizkammer zwischen den Hinterrädern wurde mit Steinkohle, Holz und Stroh befeuert. Hohle Rohre führten die Hitze durch das Wasser im angrenzenden Kessel bis zur Rauchkammer am anderen Ende.
Mieten war billiger
Die aus dem Dampf gewonnene Bewegungsenergie wurde vom großen Antriebsrad über einen Riemen auf die Dreschmaschine übertragen. In einem Katalog von 1882 betont Lanz die „vorzüglichen“ Regulatoren, mit denen man die Geschwindigkeit genau regeln konnte, damit beim Ausdreschen die Körner nicht beschädigt wurden. Drei Mann waren alleine an der Lokomobile beschäftigt: ein Heizer, ein Helfer, der Wasser und Kohlen heranschaffte, sowie, ganz wichtig, der Maschinist, der den gesamten Ablauf steuerte. Dazu kamen drei Männer auf der Dreschmaschine und rund zehn weitere Arbeiter. Da eine Lokomobile teuer in der Anschaffung war und laufende Kosten verursachte, entstand damals ein neuer Geschäftszweig: Unternehmen, die einen Gerätesatz samt Arbeitsmannschaft vermieteten.
Das richtige Pferd: der Bulldog
Heinrich Lanz kam mit seinen Dampf-Dreschmaschinen zu Ruhm. Mit der Erfindung des Bulldogs — dem Vorläufer des Traktors — einige Jahre danach setzte er auf das „richtige Pferd“ und einigte sich 1924 mit seinem stärksten Konkurrenten: Die Wolf AG in Magdeburg-Buckau bekam das alleinige Ausführungsrecht für Lokomobile, der Firma Lanz blieben die fahrbaren Rohölmotoren vorbehalten – der Grundstock für den heutigen Weltmarktführer in der Landwirtschaftstechnik.
Wo im Technoseum? Auf Ebene D
In meiner Kindheit waren zwar die hölzernen Dreschmaschinen von Lanz immer noch in Gebrauch aber am langen, ledernen Treibriemen arbeitete bereits ein Elektromotor statt eines Lokomobils. Im Nachbardorf gab es sogar eine bäuerliche Genossenschaft «ProMotor» die einen solchen auf einem Transportwagen zur gemeinsamen Nutzung besaß. Einer meiner Bekannten, Dampflokführer bei der Rigi-Bahn, besitzt ein von ihm betriebsfähig aufgearbeitetes Lokomobil von Escher Wyss & Cie. in Zürich Bauj. 1876 mit mobilem Sägewerk. In der Schweiz bauten auch die Lokomotive- und Maschinenfabrik Winterthur, Gebr. Sulzer in Winterthur und Edward King & Cie. Wollishofen in bei Zürich Lokomobile.
Ich selbst besitze ein Modell eines Lanz-Lokomobils in 1:87, das zusammen mit einem noch zu beschaffenden Steinbrecher und einem Wasserwagen verladen auf Güterwagen der ehemaligen Gotthardbahn an die Tessiner Steinindustrie erinnern soll. Das ganze soll zu einem Blickfang meines Güterzuges aus der Zeit um 1895 auf der Modulanlage unserer IG-Gotthardbahn (www.ig-gotthardbahn.ch) im ehemaligen Bahnhofbuffet von Göschenen werden.